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Entstehungszeit: (Weimar-Köthen-) Leipzig

Beachten Sie auch die Einführung zu den Triosonaten!

Den 1.Satz (keine Tempoangabe; Typus 3, bei geringerer thematisch-motivischer Beteiligung des Baßes) bestimmt in allen Teilen ein einziges Thema, dessen aufsteigende Dreiklangsmotivik eine heitere Atmosphäre ausstrahlt:

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Die Takte 1-10/11 bieten die Exposition als Hauptsatz. Deren zweite Hälfte (6 bis Mitte 11) schließt nicht nur diesen Abschnitt, sondern – in wörtlicher Wiederholung – auch den Satz als Ganzes ab. Wir werden diesem Gestaltungsprinzip bei der Betrachtung der Sonaten häufiger begegnen. In Takt 6 taucht zum ersten Male die Kontrapunktfloskel

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auf, die im Laufe des Satzes durch vielfache Verwendung zu einem ordnenden Faktor wird.

Die Takte 11-21/22 bringen eine homophon-figurierte, auflockernde Episode. Das Besondere an ihr ist, daß sie von einer Variante des Themenkopfes ausgeht, zunächst in aufsteigender, dann in umgekehrter Bewegung – letzteres ab Takt 17, und zwar nicht mehr imitierend, auf Sopran und Alt verteilt; also zum einen

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und zum anderen

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Die aufwärts sequenzierende Partie führt in die Dominanttonart (B-Dur), in welcher nun der Hauptsatz (1-10/11) wörtlich, aber mit vertauschten Oberstimmen wiederholt wird. Bedeutsam ist der erweiternde Einschub zweier Takte (29/30) in f-moll: er bringt markierend den Themenkopf im Baß (Subdominantparallele). In die Haupttonart Es-Dur transponiert, tauchen diese Takte beziehungsreich noch einmal gegen Ende des Satzes auf (s.u.).

Es folgt (Takte 36-50/51), zu Beginn diesmal um vier Takte erweitert, jene homophone, figurierte Episode, die wir schon von den Takten 11-21/22 her kennen (Zwischenspiel/Seitensatz). Sie leitet über einige Umwege von f-moll in die Haupttonart zurück. Hier (Takt 51) begegnen wir wieder jenen in 29/30 eingeschobenen Takten, im Baß dazu wieder der Themenkopf. Sie werden jetzt mit den Abschlußtakten der Exposition verbunden; diese Variante des Hauptsatzes schließt das Ganze abrundend ab.

Der 2.Satz (c-moll, Adagio; Typus 3) ist liedhaft, nach Art eines Sicilianos geformt. Das zweitaktige Thema

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erscheint zu Beginn des zweiten Teiles in folgender Umkehrung:

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Der Baß bringt das Thema, unauffällig in die allgemeine Continuobegleitung eingewoben, in den Takten 6-8, 17-19 und 25 in seiner Originalgestalt, Takt 15/16 in der Umkehrung.

Die Gesamtform des Stückes ist || : A1 : || : BA2 : || .

A1 umfaßt 12 Takte. Das Thema erscheint zuerst im Sopran, wird dann vom Alt beantwortet, schließlich vom Baß aufgegriffen. Der Abschnitt endet auf der Molldominante.

Teil B zehrt zunächst von der Durchführung des Themas in Umkehrung; der Alt beginnt, in kürzerem Abstand als in A1 folgt dann der zweite Einsatz im Sopran, der Baß meldet sich in Takt 17 – wie immer schwer zu hören, da nicht durch eine vorangehende Pause vorbereitet. Eine feine formale Verknüpfung entsteht dadurch, daß der Schluß des B-Teiles den Takten 7-9 aus A1 entspricht (bei vertauschten Oberstimmen und nach f-moll versetzt, über welches es dann in die Haupttonart zurückgeht). Takt 21 folgt dann Teil A2; er ist durch dichtere Aufeinanderfolge der Themeneinsätze (Alteinsatz Takt 21 unter dem Sopran versteckt) und knappere Fassung des Folgenden von 12 auf acht Takte verkürzt; im übrigen schöpft er aus dem Material von A1.

Damit ist lediglich das Gerüst des Satzes skizziert. Wie wohldisponiert dies alles auch miteinander verbunden sein mag, seine eigentliche musikalische Bedeutung gewinnt das Stück aus der kostbaren Formung der ausdrucksvollen Sechzehntelkontrapunktik. Ihre beredte Gestik verleiht dem Ganzen mit nicht nachlassender Intensität Leben und Seele.

Vor dem Hintergrund dieses expressiv-innigen Intermezzos erstrahlt der nachfolgende 3.Satz (Allegro; Typus 3) umso pointierter im Lichte spritzig musikantischer Heiterkeit. Aus dem viertaktigen Thema

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übernimmt der Baß jeweils nur die ersten beiden Takte. Der Satz ist ganz regelmäßig und sehr übersichtlich gebaut. Nach der Exposition des Themas (Sopran-Alt-Baß) bringt ein vergnügter Kanon zwischen den Oberstimmen (reizvoll die Linearität seiner Sechzehntel gegenüber der andersartigen Figuration des Anfangs!) den ersten Abschnitt (Takte 1-16) auf G-Dur (Dominante der Mollparallele) zum Abschluß. Es schließt sich eine jener typischen “Auflockerungsepisoden” (s. Einleitung) an; sie führt in acht Takten in die Dominanttonart B-Dur. Die Schlußgruppe des ersten Teils (25-32), markant mit dem Themenkopf im Pedal einsetzend, bleibt in der Dominante und bekräftigt sie nachdrücklich. Insgesamt also setzt sich der erste Teil aus 16 + 8 + 8 Takten zusammen.

Der zweite Teil ist ebenso geformt. Er wirkt wie eine Spiegelung des ersten, denn er führt nicht nur pflichtgemäß von B-Dur schließlich wieder nach Es-Dur zurück, sondern verarbeitet (bei vertauschten Oberstimmen) das Thema nun in der Umkehrung:

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Der die ersten 16 Takte wieder abschließende Kanon der Oberstimmen steht nur zum Teil in der Umkehrung, weil es sonst unmöglich gewesen wäre, die für das Gesamtgefüge notwendige Tonart f-moll zu erreichen. Danach hören wir wieder das auflockernde Zwischenspiel (Takte 49-56) und die Schlußgruppe (Pedal: Themenkopf) in Es-Dur (Zwischenspiel und Schlugruppe nicht mehr in Umkehrung). Die Gesamtform hat also folgendes Schema:

||: A1 - B - C :||: A2 - C - B :||

Klare, leicht faßliche Ausformung und in den Ecksätzen eine Gestaltung der Stimmen, die zu harmonisch bestimmter Figurierung tendiert, sichern der ersten Sonate die besondere Aufgeschlossenheit des Hörers. Bach wußte, warum er dieses liebenswürdige Werk quasi als Einführung an den Anfang seines Sonatenzyklus stellte!

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by-sa

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